Das Einfamilienhaus ist in Deutschland auf dem Rückzug. Nach den neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts stagniert der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern seit 2005.
Von den deutschlandweit im vergangenen Jahr neu genehmigten 288.000 Wohnungen sollen 169.000 in Mehrfamilienhäusern entstehen, wie die Behörde am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Das ist ein Anteil von fast 60 Prozent. Ein- und Zweifamilienhäuser liegen mit 109.000 Genehmigungen mittlerweile weit dahinter.
Woran liegt’s? Hindern eigenheimfeindliche Politiker bei SPD und Grünen Häuslebauer bundesweit an der Verwirklichung ihrer Lebensträume? Die Zahlen deuten stark darauf, dass die disparate Bevölkerungsentwicklung in Stadt und Land die Hauptrolle spielt, nicht die Politik.
Ökonomen und Immobilien-Fachleute weisen seit Jahren darauf hin, dass es in Deutschland in Summe nicht an Wohnungen fehlt – sie wurden nur an den falschen Orten gebaut. Denn während in Großstädten wie Berlin und München nach wie vor Zehntausende mehr oder minder verzweifelt nach bezahlbaren Wohnungen suchen, stehen auf dem Land unzählige Wohnungen leer, eben in jenen Regionen, in denen der Großteil der Einfamilienhäuser steht.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) schätzt, dass Ende 2018 in der Bundesrepublik 1,7 Millionen Wohnungen leer standen, ganz überwiegend in ländlichen Regionen, in denen die Bevölkerung sinkt. Die Einwohnerzahl der Großstädte ist von 2010 bis 2019 um 1,7 Millionen Menschen gewachsen, schreiben Raumforscher Alexander Schürt und seine Koautorinnen und -autoren in einer dieser Woche veröffentlichten BBSR-Studie. Gleichzeitig haben 45 Prozent der deutschen Mittel- und Kleinstädte Einwohner verloren.
In Landgemeinden mit sinkenden Einwohnerzahlen ständig neue Einfamilienhäuser zu bauen, ist nicht nur wegen des Flächenverbrauchs, sondern auch ökonomisch wenig sinnvoll. «Das Ziel von Schrumpfungsregionen muss sein, die Innenentwicklung voranzutreiben und nicht immer neue Baugebiete für Einfamilienhäuser auszuweisen», sagt Michael Voigtländer, der Immobilienexperte des IW Köln. «Letztlich hält man damit den Einwohnerrückgang nicht auf, und schafft immer neue Leerstände in der Zukunft.»
In Bayern etwa hat die Staatsregierung in den vergangenen Jahren mehrere Tausend ländliche Einfamilienhäuser geerbt, zum großen Teil fernab der städtischen Zentren in der Grenzregion zu Tschechien. Nachdem die Eigentümer gestorben waren, wollten oder konnten sich die Kinder die Kosten für den Unterhalt ihrer leerstehenden Elternhäuser nicht leisten. «Um mehr Einwohner zu gewinnen, bedarf es vor allem zusätzlicher Arbeitsplätze und attraktiver Hochschulen», sagt Voigtländer zur Lage auf dem Land.
Der derzeit massenhafte Bau von Mehrfamilienhäusern in den Städten erklärt sich aus den Versäumnissen der Vergangenheit. Seit Ende der 1990er Jahre wächst die Bevölkerung in den Städten. Beispiel München: Seit 1998 ist die Einwohnerzahl der bayerischen Landeshauptstadt um ein Viertel gewachsen, von 1,29 Millionen auf über 1,55 Millionen im vergangenen Jahr.
Bund, Landesregierungen und die Kommunen selbst reagierten jedoch mit großer Verspätung. Die Zahl der deutschlandweit gebauten neuen Wohnungen sank bis 2009 immer weiter.
Der fehlende Wohnungsneubau in den Städten ist nach Einschätzung der meisten Fachleute auch der Hauptgrund für den explosionsartigen Anstieg der Immobilienpreise in den Städten in den vergangenen zehn Jahren. Ein gebrauchtes Münchner Einfamilienhaus kostet nach den Marktdaten des Immobilienverbands IVD Süd derzeit etwa 1,9 Millionen Euro. Im Norden Bayerns sind vergleichbare Gebäude beispielsweise in Kronach für um die 100.000 Euro zu haben. Eine Trendwende hinaus aus der Stadt zurück in den ländlichen Raum lässt sich derzeit trotz Corona-Pandemie nicht erkennen. «Es gibt keine wirkliche Landflucht», sagt Voigtländer. «Im Moment profitieren die Umlandgemeinden sehr stark, aber im Endeffekt möchten alle in der Nähe einer Großstadt wohnen.»
Der Beitrag Das Einfamilienhaus ist auf dem Rückzug erschien zuerst auf wirtschaftsticker.